Die-Kommerzialisierung-des-Fussballs

Die Kommerzialisierung des Fußballs – wird das Spiel mit dem runden Leder zum Luxusgut?

Wenn man Wirtschaftsunternehmen in der heutigen Zeit fragt, was das wichtigste Ziel für den langfristigen Unternehmenserfolg ist, würden wahrscheinlich mindestens 80% mit „Kundenzufriedenheit“ antworten. Denn nur mit zufriedenen Kunden kann man langfristig Gewinne erzielen. In diesem Zusammenhang ist im Fußball im Jahr 2017 erschreckenderweise eher ein rückläufiger Prozess zu beobachten.

Fans, denen horrende Summen für Ticketpreise abgenommen werden, der Einstieg von Investoren, die nicht nur sportliche Ziele verfolgen, oder die Auswahl von fragwürdigen Sponsoren, die Proteste unter den Anhängern auslösen. Dies alles sind Reizthemen, die die Kundenzufriedenheit oder im Falle des Fußballs die Begeisterung der Fans auf eine harte Probe stellen. Ist Profi-Fußball überhaupt noch möglich? Die klare Antwort lautet Nein und dafür muss man sich nur die astronomischen 222 Mio. Euro vor Augen führen , die Paris Saint Germain (PSG) in diesem Sommer für Neymar bezahlt hat, um den brasilianischen Künstler vom FC Barcelona wegzukaufen. Aber wie viel Geld verträgt der Fußball und wie konnte es eigentlich so weit kommen, dass Kommerz für viele Fußballfans zum Schimpfwort schlechthin geworden ist?

Ein Fußballspiel wird heute als große Show inszeniert und der Stadionbesuch gleicht immer mehr einer Werbeveranstaltung. Fußballverbände und –vereine sehen sich, um wettbewerbsfähig zu bleiben, oft gezwungen, diese exorbitante Vermarktung mitzumachen. So auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB), der Helene Fischer in der Halbzeitpause des DFB-Pokalfinals 2017 als Show Act auftreten ließ. Die Künstlerin musste ein gellendes Pfeifkonzert im vollbesetzten Berliner Olympiastadion über sich ergehen lassen und der DFB einsehen, dass er einen Schritt zu weit gegangen war. Der streitbare Auftritt der Schlagersängerin war das (vorerst) letzte Kapitel einer immer weiter fortschreitenden Kommerzialisierung des Fußballs, die sich über Jahrzehnte aufgebaut und mit der Jahrtausendwende rasant gesteigert hat.

Meilensteine der Kommerzialisierung des Fußballs

1973 – Premiere für das Trikotsponsoring

1973 erlebte die Trikotwerbung ihr Debüt in der Bundesliga, als Eintracht Braunschweig mit dem Jägermeister-Hirsch auf der Brust auflief. Der DFB widersprach, doch die Niedersachsen machten das Logo des Kräuterlikörs kurzerhand zu ihrem Vereinswappen. Für die Trikotwerbung gab es angeblich 100.000 D-Mark. Viel Geld zur damaligen Zeit, das die finanziell nicht gerade auf Rosen gebettete Eintracht gut gebrauchen konnte.

1983 – Merchandising auf dem Vormarsch

Allmählich wurden Fan-Artikel in kleinen Stückzahlen von den Klubs selbst produziert und vertrieben. Im Verlauf der 1980er Jahre kam es schließlich zum Merchandising-Boom. Heutzutage kommt kein Profi-Klub ohne unzählige, teils kuriose Fanshop-Utensilien aus. Vom Baby-Strampler, über Toaster, bis hin zu Klassikern wie Bettwäsche oder Trikots – es gibt (fast) nichts, was es nicht mit dem Logo des Lieblingsvereins gibt.

1987 – Zum ersten Mal TV-Sponsoring eines Länderspiels

Deutschland empfing Italien und die ARD übertrug die Partie im Fernsehen. Eigentlich nichts Besonderes, doch vor und nach der Partie wurde erstmals ein Sponsoring eingeblendet: „Agfa sponsert das Fußball-Länderspiel Deutschland gegen Italien im Müngersdorfer Stadion Köln“. Möglich machte dies eine Vereinbarung zwischen ARD und DFB, die Sponsorengelder gingen an den DFB.

1988 – Anpfiff für RTL Anpfiff

„Herzlich willkommen zu ‚Anpfiff‘. Beginnt jetzt eine neue Fußballepoche? Ich weiß es nicht.“ So begrüßte RTL-Moderator Ulli Potofski im Jahr 1988 die Zuschauer zur ersten Ausstrahlung von „Anpfiff“, einer Show rund um die deutsche Fußball-Bundesliga, die die hiesige Sportwelt ein für alle Mal verändern sollte. Ausschlaggebend hierfür: Der wenige Monate zuvor vollzogene Erwerb der Bundesliga-Rechte für damals schwindelerregende 135 Millionen Mark durch den Privatsender RTL plus und die damit verbundene Ankunft der Sportberichterstattung im Privatfernsehen. Vier Jahre lang lieferte RTL Zusammenfassungen der Bundesliga-Spieltage.

1991 – Das Pay-TV steigt ein

In den 1990er Jahren schritt die gezielte Vermarktung der Bundesliga voran. Mit dem Start des Pay-TV-Senders Premiere (heute: Sky) konnten zahlende Fans nun auch regelmäßig Bundesliga-Spiele live im Fernsehen verfolgen.

1992 – ran geht auf Sendung

Sat.1 erhielt die Erstverwertungsrechte der Bundesliga und zeigte die ersten Free-TV-Bilder der Spieltage in der neuen Sendung ran mit Chefmoderator Reinhold Beckmann. Über ein Jahrzehnt prägte ran die Bundesliga im TV und sorgte u.a. für eine Betonung von Showelementen und dem Drumherum des Fußballs.

1993 – Einführung der Champions League

Nachdem der Europapokal der Landesmeister zur Champions League umgewandelt wurde, feierte Rudi Völler mit Olympique Marseille den ersten Triumph des Wettbewerbs. Die Vermarktung des europäischen Spitzenfußballs durch die UEFA sorgte für eine Explosion der Erlöse.

2000 – Der BVB geht an die Börse

Als erster und bis heute einziger Bundesliga-Klub ging Borussia Dortmund 2000 an die Börse. Anleger konnten für einen Ausgabepreis von 11,00 Euro zugreifen. Doch das Abenteuer endete im Untergang, beinahe wäre der BVB nur vier Jahre später insolvent gewesen und brauchte einige Zeit, um sich davon zu erholen.

2001 – HSV verkauft als erster Klub die Namensrechte am Stadion

Als erster Bundesliga-Verein in Deutschland übertrug der Hamburger SV einem Unternehmen die Namensrechte an seiner Spielstätte. So wurde aus dem Volksparkstadion die AOL-Arena. Der damalige Internet-Riese zahlte den Hanseaten 30 Millionen Mark (15,38 Mio. Euro) über fünf Jahre für den Deal. Bis 2015 wechselten sich bislang die Namenszüge AOL, HSH-Nordbank und Imtech auf dem Dach der Arena im Stadtteil Bahrenfeld ab, die übrigens mittlerweile wieder Volksparkstadion heißt.

2005 – Manchester United wird zum Global Player

Mittlerweile ist es zur Normalität geworden, dass große Fußballklubs wie z.B. Real Madrid, Bayern München oder Juventus Turin in Asien auf Werbetour gehen. Vorreiter war aber Manchester United. Der englische Rekordmeister ergriff als erster europäischer Fußballverein die Chance, den Markt in Asien für eigene Vermarktungszwecke zu nutzen. Schon 2005 gab es die Website des Klubs auch in chinesischer Sprache.

2006 – WM im eigenen Land: Aus Deutschland wird Schland

Die Weltmeisterschaft 2006 hob die Fußballbegeisterung in Deutschland nochmals auf ein nie vorher gekanntes Niveau. Blumenketten, Fahnen, Hüte, Autospiegelpolster – euphorisierte Menschenmassen kauften alles, was von der Industrie in schwarz-rot-gold hergestellt wurde.

2009 – Red Bull macht Fußballklub in Leipzig zum Marketing-Instrument

Red Bull, das Getränke-Unternehmen des österreichischen Milliardärs und Formel-1-Rennstallbesitzers Dietrich Mateschitz, und der neue Verein Rasenballsport Leipzig gaben im Juni 2009 offiziell ihre Zusammenarbeit bekannt. Red Bull umging die in Deutschland geltende 50+1-Regel, indem man beim Vorortklub SSV Markranstädt einstieg und einen eigenen Klub gründete.

2010 – Die FIFA vergibt die WM 2022 an Katar

Die Empörung im Rest der Welt war groß und ist es bis heute: 2010 vergab die FIFA die Weltmeisterschaften 2018 nach Russland und 2022 nach Katar. Schon kurz darauf geriet die Vergabe immer mehr ins Zwielicht der Korruption. Auch die menschenunwürdigen Bedingungen, unter denen Gastarbeiter an den Stadien schuften, werden regelmäßig kritisiert.

2012 – Sponsor XYZ präsentiert Ihnen das Eckenverhältnis

Auch im Stadioninnenraum ist Werbung spätestens seit den großen Videowürfeln allgegenwärtig. Vielerorts werden sogar Eckbälle oder gelbe Karten in Verbindung mit dem Namen eines Sponsors auf die Anzeigetafel gebracht.

2016 – Mehr Teams bei der EM

Die Fußball-Europameisterschaft 2016 fand in Frankreich und zum ersten Mal nahmen 24 statt wie zuvor 16 Mannschaften an der Vorrunde teil. Aber warum wurde aufgestockt? Die 24 Teams haben zur Folge, dass die UEFA eine zentrale Vermarktung nach dem Vorbild der Champions League einführen konnte. Dadurch lässt sich aus dem Turnier noch mehr Geld generieren. Mit der Aufstockung wird es mehr Gruppen geben, zudem ein Achtelfinale, dadurch wohl auch mehr Spielorte. Dafür werden mehr Hotels, Flüge, Gastronomiebetriebe benötigt. Sponsoren- und Fernsehverträge werden wegen mehr Spielen wohl ebenfalls besser dotiert sein. Denn: Gibt es mehr Länder, gibt es auch mehr Fans, die zuschauen.

2017 – Show wichtiger als Sport?

Im Mai geriet die Meisterfeier der Bayern heftig in Kritik. In der Pause des Spiels gegen den SC Freiburg, der noch um einen Platz in der Europa League kämpfte, performte die Sängerin Anastacia auf dem Rasen und sorgte für einen verspäteten Anpfiff der zweiten Halbzeit. Bei den anschließenden Feierlichkeiten und den obligatorischen Weißbierduschen waren die großen Gläser mit Kameras bestückt.

Saison 2017/2018 – Nach Brust- jetzt auch Ärmelsponsor

Seit Beginn der laufenden Saison dürfen Bundesligisten neben der Brust auch die Ärmel des Trikots eigenständig vermarkten. Eine weitere Einnahmequelle für die Bundesligisten, die in anderen Ländern bereits längst gang und gäbe ist.  Auch die Zerstückelung des Spieltags – längst vorbei sind die Zeiten, als Bundesliga Samstags 15.30 Uhr bedeutete – wurde ausgeweitet, denn in dieser Saison wird es nun erstmals auch Montagsspiele in der Bundesliga geben. Beim Blick auf andere Ligen kann man aber als Fan in Deutschland noch vergleichsweise froh sein, denn in Spanien etwa finden die zehn Partien eines Spieltags zu zehn verschiedenen Zeiten statt.

Wie das Privatfernsehen den Fußball veränderte

Der Beginn der Fußballberichterstattung im Privatfernsehen war ein Schritt, der weitreichende Folgen für das Spiel mit dem runden Leder nach sich zog. Von nun an war Fußball nicht mehr nur Fußball, sondern auch sündhaft teure Ware – die darauf abzielt, auf werbewirksame Weise die Aufmerksamkeit eines Massenpublikums zu generieren. Diese Metamorphose wiederum hat zuerst in der Berichterstattung und später auch in Bezug auf den Sport selbst zu einschneidenden Veränderungen geführt. Das bis heute enge Zusammenspiel von Medien, Sportverbänden und Werbung war geboren. Gleichzeitig nahm die Kommerzialisierung sportlicher Wettkämpfe wie Champions League, EM oder WM rasant ihren Lauf – und es geht immer weiter.  So wird der Fußball-Weltmeister 2026 erstmals bei einem Turnier mit 48 Mannschaften gekürt, wie die FIFA im Januar dieses Jahres beschlossen hat.

Durch das Privatfernsehen entwickelte sich eine zunehmende Abhängigkeit des Fußballs und seiner Vereine von Zuwendungen aus dem Medienbereich, die mit ihren Formaten ein möglichst großes Publikum für Werbeträger vor den TV-Geräten/Laptops/ Smartphones versammeln wollen. Für den Fußball als Sportart stellt diese Entwicklung sowohl einen Fluch als auch einen Segen dar – und das in vielerlei Hinsicht.

Die ersten Player im millionenschweren Fußball-Business, die die revolutionären Veränderungen der Marktsituation durch den Einstieg privater TV-Anbieter zu spüren bekamen, waren naturgemäß die klassischen öffentlich-rechtlichen Berichterstatter. Dies lässt sich sehr plakativ am Beispiel der in Deutschland sehr bekannten und beliebten „Sportschau“ verdeutlichen. Seit 1961 hatte die ARD im Dienste ihres gesetzlichen Sendeauftrags auf informative Art und Weise über die Fußballspiele berichtet, was sich mit dem Einstieg privater Rundfunkanstalten schlagartig ändern sollte. Denn von nun an rückten neben dem Geschehen auf dem Rasen zunehmend Komponenten der Unterhaltung in den Mittelpunkt der Berichterstattung. So fuhr RTL s mit „Anpfiff“ in dieser Zeit plötzlich ganz neue Geschütze auf. Wie der Name „Anpfiff – die Fußballshow“ schon sagt, war Sport dabei nicht mehr nur Sport, sondern auch Entertainment.

Im Studio saßen plötzlich Zuschauer, denen eine Vielzahl Live-Interviews mit Spielern und Trainern geboten wurden. Darüber hinaus äußerten sich teils illustre Studiogäste fernab des Fußballs wie beispielsweise RTL-„Sexpertin“ Erika Berger oder St. Paulis Edel-Domina Domenica zum Geschehen auf und vor allem abseits des Spielfeldes. Mit dem Sport an sich hatte all dies freilich immer weniger zu tun. Doch die bis zu drei Stunden, die RTL von nun an dem Fußball am Samstagabend einräumte, mussten ja irgendwie gefüllt werden. Das Publikum auf dem heimischen Sofa fand an diesem „neuen“ Ansatz großen Gefallen und bekam mehr von der Symbiose aus Fußball und Show. 1992 sicherte sich Sat. 1 sich mit der Sendung „ran“ sämtliche Erstverwertungsrechte an der Bundesliga und spätestens seit diesem Zeitpunkt war die Kommerzialisierung des Fußballs nicht mehr zu stoppen. Es begann das Zeitalter der Eckenstatistiken, Gewinnspiele und Zeitlupen aus verschiedensten Blickwinkeln, doch nach der Pleite des Kirch-Konglomerats verlor das „ran“-Format 2002 seine Bundesliga-Erstübertragungsrechte. Die ARD nutzte die Gunst der Stunde und überträgt seit der Saison 2003/2004 wieder als erster Free-TV-Sender in der „Sportschau“ Bilder vom aktuellen Spieltag am Samstag. Dies jedoch nicht mehr in der ursprünglichen informativen Form, sondern ebenfalls mit starkem Fokus auf Entertainment-Aspekte. Denn zeitgemäß und erfolgreich ist nur das, was Einschaltquote bringt.

Sport und Pay-TV – eine lukrative, aber auch eine fordernde Beziehung

1991 begann der TV-Sender Premiere (Vorgänger von Sky) live über die Fußball-Bundesliga zu berichten. „Normale“ Spiele wurden mit cleverem Marketing in der Werbung zu „Mega-Events“ hochstilisiert, um möglichst viel Publikums-Aufmerksamkeit für die zahlenden Werbeträger zu erzeugen. Schließlich muss sich der sündhaft teure Rechte-Erwerb für die Ausstrahlung derartiger Premium-Produkte für die Sender ja irgendwie auch rechnen. Nicht zuletzt deshalb wurde die Sendezeit rund um das sportliche „Spektakel“ auch beträchtlich in die Länge gezogen. Das Drumherum um die jeweiligen Sportereignisse nahm folglich noch mehr Bedeutung als zuvor ein, so dass der eigentliche Wettkampf irgendwann nur noch einen Bruchteil der eigentlichen Übertragungsdauer ausmachte. Wie sagte der Trainer der Weltmeister-Elf von 1954 Sepp Herberger einst so schön plakativ: „Ein Spiel dauert 90 Minuten“. Im Fernsehen dauert kein Spiel 90 Minuten, denn nach dem Spiel ist dort nicht vor sondern ZURÜCK zum Spiel! Interviews, Analysen am hochmodernen Touchscreen, Superzeitlupen, Gewinnspiele und diverse Experten sind längst State of the Art.

Mediatisierung oder Tod – Sportverbände unter ständigem Druck

Im Laufe der letzten Dekade wurden immer mehr Fußballspiele live übertragen, weil es für die Sender eine gute Quote garantierte. Fußball bietet Spannung, Helden, Dramatik, Emotionen und eignet sich bestens, um im Fernsehen dargestellt zu werden und dabei möglichst wirkungsvoll einen langen Sendzeitraum zu befüllen.

Um besagter Prämisse gerecht zu werden, galt und gilt es für den Fußball jedoch einschneidende Veränderungen in Kauf zu nehmen – etwa durch

  • technologische Innovationen (z.B. durch Installierung zusätzlicher Kameras)
  • Änderungen im Regelwerk (um die Spannung zu erhöhen)
  • „Eventisierung“ (Eröffnungsfeier, Rahmenprogramm etc.).
  • gezielte Inszenierung ( „David gegen Goliath“-Duelle, patriotische Erzählmuster etc.)
  • Anpassung des Terminkalenders an mediale Wünsche
  • Personalisierung (z.B. ständige Hervorhebung von Ikonen wie Cristiano Ronaldo)

Darüber hinaus haben die Medien längst entscheidenden Einfluss auf die Terminierung der Wettkämpfe. Beispielhaft sei hier nur die zeitliche Streckung der Spieltage der 1. Bundesliga von Freitag bis Montag oder die festen Dienstag-bis-Donnerstag-Termine (anstatt des traditionellen Mittwochs) der europäischen Fußballpokale genannt. Die Fußballverbände sehen sich heutzutage ständigem Druck ausgesetzt, den Anforderungen der TV-Anbieter zu entsprechen, um an die begehrten Fleischtöpfe zu gelangen.

Chancen der Mediatisierung für den Sport

Die Krux, den Anforderungen der „schönen neuen Fernsehwelt“ gerecht zu werden, nehmen die Verbände jedoch auf sich. Einerseits, weil Live-Übertragungen die öffentliche Wahrnehmung ihrer Sportart zum Positiven verändern können und andererseits, weil durch lukrative TV-Verträge Unsummen an Mehreinnahmen winken. Klar ist zudem, dass Verbände aus dem gegebenen Medieninteresse an ihrer Sportart gleichermaßen einen Nutzen ziehen wollen – etwa durch die Aufstockung der Teilnehmerzahlen von Großereignissen (z.B. Fußball-EM und WM), um noch mehr TV-Präsenz und Einnahmen zu generieren. Das Privatfernsehen und Pay-TV bieten für Verbände, Spieler und Zuschauer auch jede Menge Chancen.

An vorderster Stelle steht dabei der Faktor Imagegewinn. Erst recht, weil von einem solchen nicht nur die Verbände sondern, auch die Fußballspieler stark profitieren – sei es in Form höherer Gehälter. Abgesehen davon erhöhen die Kicker durch Auftritte im TV natürlich auch ihre eigene Popularität, was sie wiederum interessanter für Werbepartner macht. Last but not least profitieren natürlich auch die Zuschauer, denen heute tagtäglich ein riesiges Programmangebot zu verschiedensten Fußball-Events rund um den Globus zur Verfügung steht.

Verschwindet Live-Fußball hinter der „Bezahlschranke“?

Ein weiteres Phänomen des dualen Rundfunksystems (privat & öffentlich-rechtlich) in Bezug auf den Fußball ist der starke Bedeutungszuwachs von Pay-TV-Angeboten.  Einhergehend mit der stetig wachsenden Bereitschaft der Konsumenten, für exklusive Angebote im Fernsehen zu bezahlen, nehmen derartige Produkte längst auch im „Sport-Medien-Komplex“ eine tragende Rolle ein. Zum einen für die Anbieter, die mit den exklusiven Erstverwertungsrechten an Sportereignissen einen Großteil ihrer Abonnementen gewinnen; zum anderen für den Fußball selbst, dessen Vermarktung seit Aufkommen des Bezahlfernsehens immer lukrativer wird. Pay TV-Anbieter wie Sky zahlen immer höhere Preise, um sich im harten Bieterwettbewerb zu behaupten. Sowohl die gebührenfinanzierten Rundfunkanbieter, als auch die herkömmlichen Privaten können bei diesen Summen schlichtweg nicht mehr mithalten. Bestes Beispiel: Die jüngste Vergabe der Erstverwertungsrechte für die UEFA Champions League. Diese wird zwischen 2018 und 2021 zum ersten Mal gänzlich aus dem Free-TV gestrichen und ausschließlich beim Bezahlsender Sky sowie dessen Kooperationspartner, dem Streaming-Dienst DAZN, zu sehen sein.

Leidtragende dieser Entwicklung sind die Fans ohne Pay TV-Abo, für die Fußball dadurch zunehmend hinter einer „Bezahlschranke“ (engl.:„Paywall“) verschwindet – am Beispiel Deutschland also die Zuschauer des ZDF, das bis einschließlich der Saison 2017/18 die Free-TV-Rechte an 18 Partien der Königsklasse hält. „Wir hätten unseren Zuschauern gerne auch über 2018 hinaus die Livespiele der Champions League gezeigt“, rechtfertigt sich Intendant Thomas Bellut. Deshalb hätte man ein „sehr gutes Angebot“ hinterlegt. Als beitragsfinanzierter Sender habe es dafür aber eine klar definierte Obergrenze gegeben, die von den neuen Rechteinhabern Sky und DAZN jedoch deutlich überboten worden sei. Ein Trost bleibt aber: Absolute Ausnahmeereignisse, wie zum Beispiel ein Champions League-Finale mit deutscher Beteiligung, müssen weiterhin im Free-TV zu sehen sein. Das ist im Rundfunk-Staatsvertrag so festgelegt.

Fazit und Ausblick

Das Fernsehen war zu seiner Anfangszeit eines der demokratischsten Medien überhaupt. Jung und Alt, Arm wie Reich starrten in den Schwarz-Weiss-Flimmerkasten und sahen die gleichen Sendeinhalte in bescheidener Qualität. Es gab nur zwei oder drei Programme, nach Sendeschluss flimmerte das EBU-Testbild. Ende der 1960er Jahre setzte sich das Farbfernsehen durch, ehe mit dem Kabelfernsehen und Pay-TV das erste Bezahlfernsehen kam. Das lineare Fernsehen, bei dem sich das Publikum Samstagabends zur Primetime vor dem Fernseher in der heimischen Wohnstube versammelte, verliert zunehmend an Bedeutung. In den Mediatheken lassen sich Sendungen 24/7 (mit Einschränkungen bei der Sportberichterstattung) abrufen. Den Sendeschluss gibt es so nicht mehr. Vor allem die jüngeren, digitalaffinen Nutzer streamen Inhalte und basteln sich ihr eigenes, maßgeschneidertes Programm zusammen. Durch diese zunehmende Individualisierung im Mediennutzungsverhalten gewinnen neben dem Bezahlfernsehen auch Sport-Streamingdienste im Internet zunehmend an Bedeutung. Das Smartphone- und Tablet-Display wird zur neuen Mattscheibe. Technologie killt das klassische TV. Indem sie die ganze Wertschöpfungskette übernehmen, bedrohen Streaming-Dienste das Geschäftsmodell traditioneller TV- und Kinoproduktionen.

Der Vormarsch der Streaming-Dienste könnte das Ende des Free TV besiegeln – wobei das auch immer eine Illusion war, weil sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk über Gebührengelder, die faktisch eine Zwangsabgabe sind, finanziert und die Privatsender sich über Werbung finanzieren. Durch die Umstellung des in Deutschland verbreiteten digitalen Antennenempfangs auf den neuen Standard DVB-T2 werden allerdings auch Privatsender kostenpflichtig.

Der doppelt codierte Leitspruch «Information wants to be free», der sowohl als Informations- als auch als Kostenfreiheit derselben verstanden werden konnte, scheint nur noch mit Einschränkungen zu gelten. Während einst die billigen Plätze vor der Glotze waren, sind sie heute in den algorithmischen Endlosschleifen auf Facebook oder Youtube. Die Bezahlschranke wird zum sozialen Selektionskriterium. Wer sich die Zusatzgebühr für die Zaubertricks von Messi und Co. nicht leisten kann oder will, schaut am Ende in die Röhre. In England oder Spanien wird die Champions League schon lange ausschließlich im Pay-TV gezeigt. Nun ist der Fußball-Kapitalismus endgültig auch in Deutschland angekommen. Der Fan muss sich endgültig entscheiden: Will er für Fußball 20 Euro oder mehr im Monat zahlen? Ist der Fan bereit, zwei oder mehr Abos abzuschließen und sich verschiedene Receiver anzuschaffen? Digital und analog kann – oder muss – sich der Fan zwischen Sky, Sky Go, Eurosport 1 und 2, DAZN, Sport 1, Sport 1+, One und vielen mehr entscheiden.

Fest steht: Es drängen immer mehr internationale Großkonzerne in den Sportrechtemarkt. DAZN – mit der milliardenschweren Perform-Group im Rücken – oder Sky aus dem Murdoch-Imperium sind nur der Anfang. Olympia hat sich vor kurzem der ebenfalls sehr potente Discovery-Konzern gesichert, und weltweit agierende Unternehmen wie Amazon, Google oder die Telekom sind auch schon ganz heiß darauf, ihr Stück vom Kuchen zu bekommen.

Und weil so viele Player am Mega-Geschäft Fußball verdienen wollen, werden noch mehr Nebensächlichkeiten in der Fußball-Berichterstattung hochgepusht werden. Aber kann das auf Dauer gut gehen oder finden die Zuschauer den aufgeblasenen Fußball-Zirkus irgendwann einfach nicht mehr interessant? Oder schalten sie vielleicht aus schlichter Überforderung bei so vielen verschiedenen Angeboten ab? Deine Meinung ist gefragt!

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